
Für diese Geschichte habe ich aufs Maul bekommen
8 Minuten
Am 8. März 2025 wollte ich von verschiedenen Protesten zum Internationalen Frauentag in München berichten. Bei zwei von vier kam zu gefährlichen Einschränkungen und sogar Gewalt. Eine Geschichte sinnbildlich zur Lage der Pressefreiheit von Alexander Pohl
Am 8. März 2025 fanden in München vier Proteste zum feministischen Kampftag statt. Das ursprüngliche 8.-März-Bündnis hatte sich hauptsächlich wegen Aktivitäten zweier Gruppen gespalten. So fanden an dem Tag zwei große Demonstrationen in München statt. Ich wollte seit einiger Zeit mal wieder richtige Proteste covern und war gespannt.
Zunächst schoss ich einige Bilder von der Kundgebung am Stachus. Lisa Poettinger sprach. Insgesamt war nicht viel los. Die Menschen sprachen miteinander oder hörten den Reden zu.
Anschließend ging ich zum Rindermarkt, wo gleich eine Demonstration starten würde. An dieser Demonstration beteiligten sich Tausende Menschen. Die Demonstration bot viele schöne Bilder und verlief freundlich und friedlich. Ich begleitete diesen Protest bis zum Stachus und macht mich auf den Weg zum Marienplatz.
Die Demonstration vom Frauentreffen (hier der Link zu ihrem Insta-Post) sollte eigentlich um 16:00 beginnen. Dies verzögerte sich aber um eine Dreiviertelstunde. Als von der Bühne angekündigt wurde, dass der Protest beginnen würde, ging ich zum Protest. Es gab einen pro-israelischen Gegenprotest direkt am Rande der Kundgebung. Ich schoss zwei Bilder von diesem äußerst unfotogenen Protest von Antideutschen und Rechten. Anschließend ging ich zum eigentlichen Protest. Ziemlich schnell kam mir sehr aggressiv eine Person entgegen. Sie stellte sich mit ihrem Körper gegen mich und versuchte mich abzudrängen. Sie schubste mich auf das vor Ort anwesende USK. Der Polizist meinte zu mir, ich solle nicht so provokant sein. Zuvor hatte sie mich herrisch angeschrien, ich solle zurück zum Gegenprotest, von dem ich laut ihr Teil wäre. Das ist völlig irre. Ich protestiere grundsätzlich nicht und von pro-israelischen Gegenprotesten wurde ich in der Vergangenheit auch nicht immer freundlich behandelt.
Die Situation entspannte sich etwas, doch ich hatte dennoch einige minuten lang immer einen Beobachter. Die Beobachter ließen dann aber von mir ab. Ich konnte für mehrere Minuten die Demonstration also in Ruhe dokumentieren und viele schöne Bilder schießen.
Als ich den Zug praktisch durch hatte, ging ich wieder an die Spitze. Dort war wieder die herrische Person von vorhin. Sie bedrängte mich wieder. Sie wollte vermutlich meine Existenz verhindern, denn sie stellte sich mir in allen Richtungen in den Weg.
Nach einigen Metern in denen sie versuchte, mich abzudrängen hatte, stellte sich mit ihrem Körper und ihrer roten Knüppelfahne in den Weg und versperrte mir das Weiterlaufen auf dem Trottoir. Der Einsatzleiter sah dies und hielt ihr eine Ansprache, sie habe die Presse in Ruhe zu lassen und nicht zu belästigen. Ich hörte nur das und ging weiter Richtung Mitte des Demonstrationszuges. Nach ein paar Metern rempelte mich ein Ordner - ein bekannter Rechtsanwalt - vermutlich mit voller Absicht, ordentlich an, so dass er so sein Revier markieren wollte.
Einen Augenblick später kamen drei Aktivist:innen auf mich zu und umringten mich. Sie stellten sich mir in den Weg. Ich konnte nicht einmal einen Blick auf die Demo richten, sie bedrängten mich. So sehr, dass ich beschloss, eine kurze Pause einzulegen und mich auf einen Hauseingang setzte. Auch dort hatte ich meine Bewacher weiterhin sehr nah dran. Nach der kurzen Zeit der Ruhe war der Demonstrationszug an mir vorbeigezogen und wenig später auch die drei Bedränger.
So beschloss ich wieder ein paar Bilder zu schießen. Ich dachte, es sei jetzt wieder so wie am Anfang, dass ich wieder arbeiten könne. Ich schoss ein Bild. Als ich ein schönes Schild sah und es fotografieren wollte, kamen hinterrücks aus dem Nirgendwo wieder die drei Aktivist:innen von vorhin. Sie schlugen im Moment des Auslösens auf die Kamera. Dadurch erlitt ich Schmerzen an der Linken Augenbraue. Ich war geschockt. Geschlagen von Linken. Bei Rechtsextremen oder Schwurblern plant man Bedrängungen oder selten auch Schläge mit ein. Neonazis haben die Gewalt in ihrer Ideologie.
Sie bedrängten mich nun weiter und wollten mich aus dem Protest entfernen. Dennoch entwickelte sich ein Gespräch. Schnell wurde klar, dass die drei mich nicht kannten und keine Ahnung hatten, wieso sie so handelten. Sie fragten mich, wofür ich die Bilder denn machen würde. Ich antwortete, dass ich Journalist bin und die Bilder an verschiedene Medien verteile. Ich fragte die Angreifer:innen, ob sie mich kannten und wieso sie handelten. Vor allem mit einem Angreifer kam ich intensiver ins Gespräch. Ich sagte ihm, dass sein Schlag immer noch schmerze. Er entschuldigte halbherzig sich für den Schlag. Er habe mir nicht wehtun wollen, er habe bloß verhindern wollen, dass ich fotografiere. Ich fragte ihn, ob er mich kenne. Nein. Was war der Grund für die Angriffe wollte ich wissen. Gerüchte! Er habe gehört, dass irgendwann mal was gewesen wäre. Und das glaube er. Also reichen Gerüchte aus, um Gewalt anzuwenden. Ich zeigte ihm meine Arbeit. Da schien ihm klar zu werden, dass ich doch nicht so böse sein kann. Nach dem Gespräch waren wir wieder am Marienplatz angekommen. Dort konnte ich ein letztes Bild schießen.

Nachdem ich die Bilder vom Nachmittag rausgeschickt hatte, wollte ich ursprünglich noch einen weiteren Protest unter dem Motto "Feminist oder Hurensohn" covern. Als ich ankam sprach ich mit einer Kolleg:in und kurz mit zwei Aktivist:innen. Als die Demo losgehen sollte positionierte ich mich in Richtung Straße. Dort sah ich wieder eine der Angreifer:innen von der Demo vom Frauentreffen. Ebenfalls waren auch ein anderer Aktivist, der einen toxisch maskulinen Eindruck machte, und ein Demosani vor Ort. Er trug einen "Kein Mensch ist illegal"- Hoodie. Kein Mensch ist illegal - außer Journalist:innen anscheinend. Die Angreiferin schaute mir sofort tief in die Augen. In meiner Anwesenheit sprach sie den Versammlungsleiter an. Könne man denn gewisse Menschen aus der Demo entfernen. Der Versammlungsleiter ist ein Münchner Stadtrat. Er fungiert häufig als Versammlungsleitung. Er antwortete, dass dies so nicht ohne weiteres möglich sei. Er, also ich, mache da halt Bilder. Dann könne man die Polizei holen. Das wollte die Angreiferin aber nicht. Das war ganz klug von ihr. Wenn sie die Polizei geholt hätte, so hätte die Polizei die Pressefreiheit durchgestzt und es hätte womöglich eine Anzeige wegen des Schlages auf der Demo zuvor gegeben. Ich sprach den Versammlungsleiter direkt an. Er weigerte sich aber zu helfen oder die Pressefreiheit durchzusetzen.
Ich diskutierte noch ein wenig mit der Angreiferin. Der Demosani schrie mich an, ich hätte vorher schon genervt und müsse jetzt gehen. Die Angreiferin fragte ich wieder, was sie denn gegen mich habe. Sie konnte es mir nicht erklären. Es kam noch eine Person vom Awareness-Team dazu, die zumindest nicht aggressiv auftrat. Sie forderte mich auf zu gehen. Ich dachte mir schlussendlich, dass die Demo sowieso einfach nicht besonders fotogen ist - sie hatten einfach kein einziges Schild (!!!) - und unter solchen Umständen nicht arbeiten will und kann. So machte ich Feierabend.
Insgesamt frage ich mich, was mit diesen Menschen schief laufen muss, dass sie, die sich als progressiv und antifaschistisch verstehen, Menschen einfach nur wegen Gerüchten schlagen. Was für ein Verständnis von Demokratie und Freiheit haben sie, dass sie so gegen Journalist:innen vorgehen? Demonstrieren sie, weil die Welt verbessern wollen, ihr Anliegen verbreiten wollen oder vielleicht doch, weil sie einfach nur selbstherrlich auf die Straße gehen und in ihrer Community oder gar nur für sich selber demonstrieren?
Was gibt es denn für einen Protest besseres als wenn sich Journalist:innen dafür interessieren und über die Demo berichten wollen.
Zur kompletten Serie.