
Deo Montesclaros: Reporting From the Margins
7 Minuten
Deo Montesclaros ist Fotojournalist und Autor aus Manila, Philippinen. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf Menschenrechten, Umweltfragen, politischen Protesten, News und Kultur.
Sein Heimatland, die Philippinen, ist tief von katholischen Traditionen geprägt – eine Tatsache, die sich in seiner Berichterstattung über religiöse Feste und kulturelle Ereignisse widerspiegelt.
Deo wird wegen seiner kritischen Berichterstattung über Umweltzerstörung, Menschenrechtsverletzungen und die Lebensbedingungen marginalisierter Gruppen auf den Philippinen während der COVID-19-Pandemie politisch verfolgt. Er geriet ins Fadenkreuz der Regierung und ist ständigen Verleumdungen, sog. Red-Tagging und einer frei erfundenen Anklage der Terrorismusfinanzierung ausgesetzt – Ein Vorgehen, das von der philippinischen Regierung regelmäßig angewandt wird, um unliebsame Journalist:innen zum Schweigen zu bringen.
Wie ist deine Geschichte mit der Fotografie?
Ich habe schon immer ein großes Interesse an der Fotografie im Allgemeinen gehabt, weil ich bereits in jungen Jahren Zeitungen gelesen habe. Besonders die Artikel und Geschichten mit Bildern ziehen mich an. Sie helfen mir, den Kontext der Geschichte zu verstehen und regen meinen Vorstellungssinn an - wie der Ort aussieht und wer die Menschen sind, die ihre Geschichten erzählen.
Als ich 2017 mit dem Journalismus begann, habe ich angefangen, Fotos zu schießen, um sie in meine Artikel einzubauen. Ich möchte, dass die Leser:innen das erleben, was ich beim Erzählen von journalistischen Geschichten erlebt habe - vor allem die vergessenen Geschichten von marginalisierten Gruppen. Die Kamera kann zu einem Werkzeug werden, mit dem wir authentisch unsere Umgebung und Communities zeigen können. Und dabei kann der Akt des Fotografierens zu einer positiven Kraft werden, die dazu beiträgt, die Welt zum Besseren zu verändern.
Der Fotoband American Geography des Magnum-Fotografen Matt Black hatte einen großen Einfluss auf meine Fotografie. Seine dokumentarische Arbeit über die Situation der ländlichen Arbeiterklasse in den USA erinnerte mich eindringlich daran, was eine gute Fotografie offenbaren kann und wie es die Realität des menschlichen Daseins konfrontieren kann.
Was motiviert dich in deiner Arbeit?
Als Journalist bin ich der Meinung, dass unser Beruf ein öffentliches Gut ist. Es liegt im Interesse der Öffentlichkeit, wenn wir relevante, faire, wahrheitsgemäße und akkurate Geschichten und Fotos veröffentlichen.
Als visueller Journalist in einer von Bildern übersättigten Welt können wir als Fotojournalist:innen immer noch zu fruchtbaren und sinnvollen Konversationen beitragen - in den sozialen Medien und darüber hinaus. Ich möchte ein Teil davon sein. Wir können auf diesen Plattformen - den sozialen Medien und dem Internet im Allgemeinen - immer noch einen demokratischen Raum schaffen, indem wir Geschichten erzählen, die die Gesellschaft als Ganzes repräsentieren und mit denen sich die Menschen identifizieren können.
Wie arbeitest du? Was ist dein Vorgehen?
Ich habe versucht, News zu fotografieren. Doch als ich mich in der Fotografie weiterentwickelte, wurde mir bewusst, dass mein Interesse und meine Herangehensweise eher der Dokumentarfotografie bzw. Reportagefotografie entsprachen. Ich erstelle Reportagen und Geschichten, die sowohl in Worten als auch in Bildern verständlich sind. Dies ergänzt auch meine Erfahrung in der Arbeit vor Ort und Recherche als Entwicklungshelfer und Journalist.
Mit diesem Hintergrund habe ich meinen fotografischen Ansatz entwickelt. Entscheidend für diesen Ansatz ist die Methode, die ich bei meinen Recherchen in marginalisierten Gruppen anwende. Es ist immer besser, zuerst mit den Menschen ohne Kamera zu sprechen - aus Respekt vor ihnen und ihrer Gemeinschaft. Auf diese Weise kann ich meine Absicht und Motivation klar erläutern und ihre Fragen und Bedenken ohne die Ablenkung durch die Kamera beantworten. Danach beginne ich erst mit der entsprechenden Planung.
Seit Januar wirst du von der Regierung in Manila verfolgt. Wie hat es begonnen?
2017 erhielt ich SMSen von unbekannten Nummern, in denen ich aufgefordert wurde, nicht mehr über die Bergbauaktivitäten des australisch-kanadischen Unternehmens OceanaGold und deren Umweltauswirkungen zu berichten. Der unbekannte Absender drohte mir: "Wir beobachten dich. Pass Alyansa ng Novo Vizcayano para sa Kalikasan (Novo Vizcayano Umweltbündnis) auf", einem Umweltbündnis der Zivilgesellschaft.
Die Anwohner:innen hatten gegen die Mine protestiert, weil diese ihre Wasserquelle zerstörte, ihnen ihr angestammtes Land stahl und ihre Menschenrechte verletzte. Als der Bergbauvertrag auslief, plante das Unternehmen, den Vertrag mit der Regierung um weitere 25 Jahre zu verlängern. Zu diesem Zeitpunkt errichtete die indigene Gemeinschaft eine Barrikade, um sich gegen die Fortsetzung des Bergbaus zu wehren.
Als Journalist berichtete ich über diese Geschichte und blieb eine Zeit lang an der Barrikade und in der Community. Ich glaube, dass der Staat schon immer kritische Journalist:innen ins Visier genommen hat, vor allem solche, die die Politik der Regierung in Frage stellen, die sich negativ auf marginalisierte Gemeinschaften auswirkt.
Schlimmer noch, es gab vor mir schon andere Journalisten, die Repressionen ausgesetzt waren und sogar inhaftiert wurden – so zum Beispiel Frenchie Mae Cumpio - oder sogar getötet wurden.
Wenn man über die Ränder der Gesellschaft berichtet, deckt man Geschichten auf, die wichtig und erzählenswert sind. Man gibt der Gemeinschaft einen Raum, um ihre Geschichten und Erfahrungen mitzuteilen und die Erzählungen in Frage zu stellen, mit denen die Mächtigen die öffentliche Gunst gewinnen und Zwietracht unter den Menschen säen wollen.
Wieso verfolgt dich die Regierung?
Jede Regierung und Administration, die in Korruption versinkt, in interne Machtkämpfe verwickelt ist und zum Autoritarismus neigt, wird immer versuchen, kritischen Journalismus zum Schweigen zu bringen und die Pressefreiheit zu unterdrücken.
Die Regierung unter dem ehemaligen Präsidenten Rodrigo Duterte führte unter dem Vorwand eines „Krieges gegen Drogen“ einen Krieg gegen die Armen und Schwachen. Nach einem blutigen Durchgreifen gegen arme städtische Gemeinden richtete sich sein Zorn gegen Aktivist:innen, Menschenrechtsverteidiger:innen, Journalist:innen und andere, die seine repressive Politik und seinen brutalen Drogenkrieg kritisierten.
Seine Regierung unterhielt außerdem enge Beziehungen zu großen lokalen und ausländischen Bergbauunternehmen. Unter seiner Führung erneuerte die Regierung den Vertrag mit dem Bergbauunternehmen und ignorierte dabei den Widerstand der indigenen Gemeinden.
Schlimmer noch, seine Regierung startete eine systematische Kampagne der politischen Verleumdung und des Rufmords an bekannten Umweltschützer:innen und Journalist:innen, die über die Umweltzerstörung berichteten, insbesondere diejenigen, die mit der Umweltallianz ANVIK in Verbindung gebracht wurden, um deren Engagement zu diskreditieren und sie zum Schweigen zu bringen.
Welche Konsequenzen trägst du persönlich und deine Arbeit davon?
Ich lebe aufgrund des sog. Red-Tagging, Überwachung und Bedrohungen ein gefährliches Leben. Das verstößt gegen mein Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit. Es gab Zeiten, in denen ich wichtige Nachrichten und Geschichten aus dem Gebiet erhielt, aber aus Angst vor Repressionen seitens der Regierung konnte ich nicht darüber schreiben.
Wer hilft dir im Moment?
Es gibt viele Menschen und Organisationen, die mir aktuell helfen.
Pressekolleg:innen schicken mir ständig moralische Unterstützung und organisieren zum Beispiel eine Kampagne.
Wie siehst du deine Zukunft?
Ich würde gerne weiterhin Geschichten "from the margins", also von den Rändern der Gesellschaft, berichten und so meinen Menschen dienen.